Friedrich-Schiller-Universität (FSU) Jena

CATI-Labor des Instituts für Soziologie

Im Juni/Juli 2016 kämpften die studentischen Telefon-Interviewer_innen des CATI-Labors der Soziologie der Uni Jena (ein institutseigenes Call-Center) gemeinsam mit der FAU Erfurt/Jena gegen ihre Beschäftigung über Werkverträge, d.h. in Scheinselbstständigkeit. Nach mehreren Aktionen und Gesprächen erklärte das Institut für Soziologie im Juli 2016, dass es künftig keine Werkverträge mehr vergeben werde. Der Konflikt führte zu einigen Solidaritätserklärungen und einer Mobilisierung unter den studentischen Arbeiter_innen, woraus im Oktober 2016 die offene Bildungs-AG der FAU Erfurt/Jena entstanden ist. Die Ereignisse wurden auf dem Blog CATI Labour Struggle dokumentiert. Seitdem werden die Studierenden im CATI-Labor mit Studentischen-Hilfskraft-Verträgen, also ordentlichen Arbeitsverträgen, angestellt.

 

„Jena Experiment“ der Biologisch-Pharmazeutischen Fakultät

Auf dem Versuchsfeld „Jena Experiment“ der Biologisch-Pharmazeutischen Fakultät der Uni Jena werden Studierende als studentische Hilfskräfte zum Unkraut-Jäten eingesetzt. Die Uni verkauft die Arbeit als „wissenschaftliche Arbeit“, um so den Tarifvertrag zu unterlaufen. Denn für wissenschaftliche Arbeit können studentische Hilfskräfte zu einem geringeren Lohn und ohne Arbeitsplatzsicherheit eingestellt werden. Da es sich um beim Unkraut-Jäten offensichtlich nicht um eine wissenschaftliche Beschäftigung handelt, hatte die FAU Erfurt/Jena schon im Oktober 2014 gemeinsam mit einem studentischen Beschäftigten Klage eingereicht. Diese scheiterte letztlich daran, dass der Kollege nicht Mitglied einer tarifvertragabschließenden Gewerkschaft (hier: Verdi oder GEW) war und somit keinen rechtlichen Anspruch auf den Tarifvertrag hat.

Mitte Oktober 2016 hat ein weiterer Kollege, der auch GEW-Mitglied ist, vom Kanzler der Uni Jena den Tariflohn gefordert. Die Uni ging auf die Forderung nicht ein, woraufhin wir vors Arbeitsgericht gezogen sind. Die Güteverhandlung vom 16. November 2016 endete ohne Einigung. Deswegen ist für Oktober 2017 der Prozess vor der Kammer des Geraer Arbeitsgerichts angesetzt. Dort steht ein Grundsatzurteil zur unrechtmäßigen Beschäftigung von studentischen Hilfskräften zwecks Lohndumping aus. Bis dahin lassen wir aber nicht locker. Am 7. Februar haben wir mit einer Flyeraktion die Teilnehmer_innen des internationalen Symposiums zum 15jährigen Bestehen des „Jena Experiments“ über die prekären Arbeitsbedingungen und unsere Forderungen informiert.

Darüber hinaus haben wir mit einem ehemaligen Kollegen, der als Minijobber auf der Versuchsfläche angestellt worden war, eine Lohnnachzahlung durchgesetzt. Diese errechnet sich aus der Differenz zum Tariflohn, da er als Minijobber nur den Mindestlohn bekommen hatte. Bei der Güteverhandlung vom 7. Juni haben wir uns mit der Uni auf die Lohnnachzahlung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ geeinigt.

 

Methodenlabor des Instituts für Soziologie

Im Methodenlabor der Soziologie der Uni Jena, einem Computerpool zur Erlernung und Anwendung quantitativer Methoden, wurden mehrere Studierende in der ersten Jahreshälfte 2016 als studentische Hilfskräfte angestellt. Ihre Aufgabe war es, den Raum während der Öffnungszeiten zu beaufsichtigen und am Ende zu putzen. Von ihnen wurde erwartet, dass sie ca. das Anderthalbfache der vertraglich festgelegten Arbeitszeit leisten, d.h. massiv unbezahlte Überstunden arbeiten. So kamen sie teilweise auf einen Stundenlohn von 4,30€. Außerdem wurde ihnen kein Urlaub gewährt.

Ende Oktober 2016 haben drei der studentischen Arbeiter_innen gemeinsam mit der FAU Erfurt/Jena den ausstehenden Lohn und Urlaubsanspruch vom Präsidenten der Uni eingefordert und Anfang November 2016 auch das Institut für Soziologie über die Forderungen informiert.  Weder das Institut noch die Uni haben Interesse an einer Lösung des Konflikts oder wenigstens Gesprächsbereitschaft gezeigt. Daraufhin haben wir bei verschiedenen Gelegenheiten öffentliche Veranstaltungen des Instituts und der Uni beflyert

  • die Konferenz-Veranstaltung zum Thema „Prekarität in europäischen Postwachstumsgesellschaften“ Anfang Dezember
  • die  Weihnachtslesung Mitte Dezember
  • die Veranstaltung „Was werden mit Soziologie“ Mitte Januar

Gleichzeitig haben wir Klage für erstmal eine Kollegin beim Arbeitsgericht eingereicht. Am 1. Februar kam es dann zu einer Güteverhandlung vorm Arbeitsgericht in Gera. Dort hat sich herausgestellt, dass der Fall etwas komplizierter ist (sie hatte zwei Verträge als Hilfskraft, die juristisch zu einem Arbeitsverhältnis zusammengenommen werden), aber unsere Forderung legitim bleibt und die Uni mit uns eine Einigung erzielen möchte. Dennoch konnten wir erst nach Monaten des Hinhaltens von Seiten der Rechtsabteilung der Uni eine Einigung durchsetzen. Ende Juni 2017 sind dann letztlich je 500-700€ Lohnnachzahlung pro Person überwiesen worden.

Während der Aktionen hat sich uns ein Kollege angeschlossen, der von 2013 bis Anfang 2016 zu den gleichen Bedingungen im Methodenlabor gearbeitet hat. Wir haben gemeinsam auf Grundlage des Mindestlohngesetzes mit ihm die Zahlung der Überstunden ab 2015 gefordert und befinden uns dahingehend mit der Uni in Verhandlungen.

Darüber hinaus sind wir mit den drei aktuell im Methodenlabor Beschäftigten in Kontakt getreten und haben gemeinsam mit ihnen eine Lohnnachzahlung, die Entfristung ihrer Verträge und Eingruppierung in den Tariflohn gefordert. Die Uni auf das Forderungsschreiben nicht reagiert. Daraufhin haben wir Klage vorm Arbeitsgericht Gera erhoben, wo am 11. August die Güteverhandlung stattfinden. wird.

 

Lehraufträge am Institut für Soziologie

Im dem Herbstsemester 2016/17 gab es am Institut für Soziologie Bemühungen zur Verbesserung der Situation der Lehrauftragnehmer_innen. Sie arbeiten als Honorakräfte, d.h. haben keine Arbeitsplatzsicherheit, bekommen keine Versicherungsbeiträge bezahlt, erhalten keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, haben keinen Urlaubsanspruch und werden krass unterbezahlt.

In dem Rahmen ist bisher ein längerer Text zur Situation an der Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften entstanden. Darin werden auch konkrete Verbesserungsvorschläge benannt.

 

Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek (Thulb)

An der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek (Thulb) der Uni Jena werden Studierende für verschiedene Tätigkeiten (Aufsicht, Bücher Abstauben, Bücher Rumschieben) als Studentische Hilfskräfte (SHK) eingestellt. Eigentlich müssten sie nach dem Tarifvertrag der Länder eingestellt werden. Die Uni behauptet aber, es handele sich dabei um eine wissenschaftliche Tätigkeit. Bei wissenschaflticher Arbeit kann sie Studentische Hilfskräfte einstellen, die nicht unter den Tarifvertrag fallen. Die Studentischen Hilfskräfte haben auf wenige Monate befristete Verträge, bekommen nur den Mindestlohn und werden oft um den Urlaubsanspruch und die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall geprellt.
 
Deswegen hat ein Kollege von uns, der bis Mitte 2016 an der Thulb angestellt war, zwischen den Feiertagen Ende Dezember 2016 ein Lohnnachforderung an die Uni geschickt. Er forderte nachträglich den ihm zustehenden Tariflohn und die Einstellung der studentischen Arbeiter_innen in der Thulb nach dem Tarifvertrag. Die Uni hat bis zur Frist, den 13. Januar, nicht auf die Forderung reagiert. Entsprechend wurde eine Klage eingereicht. Am 12. Juli 2017 fand dann die Güteverhandlung vorm Arbeitsgericht in Gera statt. Hier konnte wir eine Lohnnachzahlung erwirken, die sich wiederum aus der zwischen seinem Lohn und der Differenz zum verweigerten Tariflohn errechnet – allerdings „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“. D.h. die Uni weigert sich noch immer, strukturelle Veränderungen anzugehen.
 
Ein anderer Kollege, der aktuell als Studentische Hilfskraft in der Thulb angestellt ist, hat ebenfalls eine Lohnnachzahlung (ergibt sich aus der Differenz zum Tariflohn inklusive Jahressonderzahlungen) sowie die Entfristung seines laufenden Vertrags gefordert. Denn die Befristung der Verträge wird mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZVG) gerechtfertigt, welches aus gewerkschaftlicher Perspektive hier nicht greift, da es sie wie gesagt nicht um wissenschaftliche Arbeit handelt. In der Güteverhandlung vom 19. Mai 2017 haben wir uns mit der Uni auf die Lohnnachzahlung und Vertragsentfristung geeinigt. Da der Vertrag zum Mindestlohn entfristet wurde, wurde gleich eine Forderung nach Eingruppierung in den Tariflohn nachgeschoben.
 
Mit einer dritten Kollegin fordern wir seit Juni 2017 ebenfalls eine Lohnnachzahlung (Differenz zum Tariflohn), die Entfristung des Vertrags und die Eingruppierung in den Tarifvertrag der Länder (TV-L). In einem Gespräch vom 27. Juni 2017 bot uns die Uni einen Vergleich an: Lohnnachzahlung und Entfristung, aber ohne Eingruppierung in den Tarifvertrag. Das haben wir abgelehnt. Wir pochen darauf, dass den studentischen Arbeiter_innen in der Thulb der Tariflohn zusteht! Am 11. August 2017 wird die Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht Gera stattfinden. Die Kollegin wird sich selbst vertreten.
 

Tutor_innen

Tutoren und Tutorinnen halten zusätzliche Lehrveranstaltungen für jüngere Semester. Sie bekommen oft nicht die (ganze) Vorbereitungszeit bezahlt und haben Verträge, die nur über die Vorlesungszeit, d.h. 3 Monate, laufen.

Am 26. Mai 2017 haben acht Tutor_innen der Uni Jena unterstützt von der Bildungs-AG der FAU Erfurt/Jena dem Präsidenten der Uni Jena einen offenen Brief zukommen lassen. Darin fordern sie (1) dass die gesamte Vorbereitungszeit für die Tutorien bezahlt wird, also mindestens 20-Monatsstunden-Verträge, und (2) eine Vertragslaufzeit von einem Jahr.

In Reaktion darauf hat die Uni ein Gespräch mit Kanzler und Präsident angeboten, welches am 16. August 2017 stattfinden wird. Darüber hinaus ist die Arbeitssituation der Tutor_innen an verschiedenen Instituten thematisiert worden.