Schulsozialarbeiter in Erfurt geht gegen seine Kündigung vor

Der Erfurter Herrenberg ist thüringenweit für seine neonazistische Szene bekannt. Das spiegelt sich auch an den Zuständen an der dortigen „Gemeinschaftsschule am großen Herrenberg“ wieder. Zwei Jugendliche aus der Neonazi-Szene bedrohten monatelang andere, vor allem migrantische, Mitschüler und Mitschülerinnen und sogar Personal an der Schule und griffen sie an. Ein Schulsozialarbeiter intervenierte und versuchte, dafür zu sorgen, dass die betroffenen Kinder vor der Gewalt der jungen Neonazis geschützt werden. Daraufhin wurde er von seinem Trägerverein Perspektiv e.V. an eine andere Schule versetzt.

Zwischenzeitlich wurde er – auch aufgrund der enormen Belastung und erlittener Angriffe durch jugendliche Nazis an seinem Arbeitsplatz – krankgeschrieben. Nachdem er am 29. Mai einen Brief an die Schulleitung schickte, um seinen Forderungen nach einem besseren Umgang mit der Situation Nachdruck zu verleihen, wurde er am 30. Mai 2017 „aus personenbedingten Gründen“, d.h. aufgrund „langanhaltender Krankheit“ gekündigt. Daraufhin wandte er sich an die Basisgewerkschaft FAU, um gegen die Kündigung vorzugehen.

Als FAU haben wir eine Kündigungsschutzklage vorm Arbeitsgericht Erfurt gestellt. Die Güteverhandlung wird dort am 23. August 2017 stattfinden. Außerdem haben wir uns in einem Brief an die Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen von Perspektiv e.V gewandt und zur Solidarität mit dem gekündigten Kollegen aufgerufen.

Perspektiv e.V. hat auf die Forderung nach Wiedereinstellung klar arbeiter_innenfeindlich reagiert. Der Verein hat einen Anwalt eingeschaltet, der am 7. Juli 2017 eine weitere, fristlose und ordentliche Kündigung ausgesprochen hat. Auch gegen diese weiteren zwei Kündigungen haben wir eine Kündigungsschutzklage eingereicht. Auf die Nachfrage nach den Gründen für die fristlose Kündigung hat der Anwalt bisher nicht reagiert. Stattdessen wurde der Kollege unter fadenscheiniger Begründung angezeigt. Hier geht es offensichtlich darum, im Nachhinein einen Grund zur fristlosen Kündigung zu konstruieren.

Als Gewerkschaft sind wir schockiert darüber, wie erstens der Verein einen engagierten und couragierten Mitarbeiter gerade während seiner Krankschreibung kündigt, wie zweitens die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kaum zur Unterstützung ihres Kollegen bereit sind und wie drittens sowohl der Verein wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die neonazistische Gewalt an der Gemeinschaftsschule am Herrenberg verharmlosen und ihren Kollegen noch davon abhalten, sich für den Schutz der betroffenen Kinder einzusetzen. Gerade in Thüringen, wo schon einmal – vor zwanzig Jahren – junge Neonazis unter den Augen der Sozialarbeiter zu organisierten Neonazi-Kader_innen und Mörder_innen geworden sind, müssen die Schulen, die Trägervereine, die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, müssen wir als Gewerkschaft sensibel und wachsam bleiben!

Bildungssektion der FAU Erfurt/Jena

Jena, 8. August 2017